Als ich den Ritter von der Sofagarnitur gg. 18h anzurufen suche, entpuppt sich meine tolle Idee mit der türkischen SIM-Karte (Vodafone) als zwiespältig: Die Roten haben nämlich nach einer Woche mein Telefon gesperrt. Ich müsse es erst registrieren, wie ich schon aus der Heimat im Internet nachlesen konnte – dort sprach man allerdings von einem MONAT nicht von 7 Tagen. Whatever.
Kollege Hakan Hilfsbereit nimmt mich also spontan an die Hand und in den nächsten Vodafone-Laden (in der Folge „Vodafone-Laden Nr. 1“), wo er fachkundig mit dem Personal parliert. Erfolg bleibt allerdings aus, so geht es weiter zu Turk-Cell – mit ähnlichem Resultat. Hakans dünne Fremdsprachenkenntnis entpuppt sich an dieser Stelle als problematisch, weil er (Beruf: Kellner) mir nur bedingt erklären kann, was das Problem mit meiner Funkgurke ist.
Dafür kennt er jeden zweiten Menschen auf der Straße und weiß, wo die Handy-Technik-Füchse ihre Läden haben – hat nämlich in einer der Buden früher mal gearbeitet... Im vierten Versuch treffen wir um kurz vor 19h (also kurz vor Futter-Erlaubnis im Ramadan!!!) auf helfende Hände (für 24 TL), die meine SIM-Lock-Funktion hacken und ich um 19.20h Can anrufen kann. Registrierung tue aber trotzdem Not, so der Tenor, daher solle ich tags drauf wiederkommen und den Kollegen Motorola anschließend bei Vodafone registrieren lassen.
Fein, denke ich mir. Dann stehe ich früh um 8h (dann machen die Handy-Füchse laut Hakan auf) auf el Matte und eile sodann zu den syrischen Diplomaten und treffe Hakan um 11h wieder im Park und kann später noch ins örtliche Museum.
Na fein, mit dem frühen Aufstehen hat es der Techniker wohl nicht, also organisiere ich erstmal Frühstück und meine Route zum Syrer, um um 9.08h erneut auf Status quo zu treffen. Allerdings mit wartendem Mitarbeiter vor der Tür der andeutet, dass die Bude wohl in 5 Minute öffnen müsse. Um 9.30h verlasse ich den Wartebereich kopfschüttelnd mit Ziel Klein-Syrien und kündige baldige Rückkehr an.
Vor der vergitterten Konsularabteilung gibt es die befürchtete Bestätigung, dass ich das syrische Visum in Ankara nur (und wirklich nur!) dann beantragen könne, wenn ich meinen Wohnsitz im Döner-Land habe – den kann ich schlecht nachweisen, kaufe in der Folge eine Packung Kekse und betreibe im Bus zu den Handy-Langschläfern Frustknabbern.
Widererwarten haben Mustafa (spricht englisch) und Co. mittlerweile (10.34h) geöffnet und stellen mein Telefon auf Ursprung zurück (läuft also wieder nicht). Ein kurzer Besuch bei Vodafone solle werde aber mit Sicherheit Abhilfe schaffen, insistiert Dr. Mobil.
Um 11.09h hetze ich gen Park, um Helfer Hakan aufzugabeln. 20 Minuten später gebe ich die Suche auf – entweder ist der Bursche wenig ausdauernd beim Warten oder war nie da oder hat mich versetzt oder was auch immer. Aber das mit dem Registrieren soll ja ganz einfach gehen.
Beim Großkonzern sieht man das allerdings anders: Laden Nr. 1 (der von gestern) sei nämlich „leider“ nicht für Registrierung zuständig, ich möge zu Laden Nr. 2 gehen, in dem ich erfahre, dass Laden Nr. 3 doch eher dafür geeignet sei oder zumindest dazu, mir mitzuteilen, dass Laden Nr. 4 (alles zum Glück fußläufig erreichbar) mit Sicherheit die Registrierungsbude ist. Das kann man dort gg. 12.04h bestätigen, allerdings sind die Servicekräfte mit meinem Einreisestempel nur bedingt einverstanden... Gevatter Sprachbarriere zeigt vollen Einsatz und lässt mich bis heute im Unklaren, was damit nun eigentlich nicht konform war.
In jedem Fall müsse ich zur zentralen Polizeistation (4 Metrostationen nördlich) reisen, mir dort ein Schreiben (heißt leider nicht "A 38") holen, dessen Name mir in Türkisch auf einen kleinen Zettel notiert wird, zu Vodafone-Laden Nr. 4 zurückkehren und meiner Registrierung stünde nichts mehr im Wege. Bevor ich mich in die Hände der Rechtshüter begebe schaue ich zur Sicherheit noch bei Mustafa vorbei, um mir anglophil erklären zu lassen, was ich beim Schutzmann genau machen soll.
Mit gefährlichem Halbwissen im Gepäck reise ich zur Blaulichtfraktion und finde die Hauptstraße vor der Riesenwache für den PKW-Verkehr gesperrt. Grund: Generalprobe für die große Militärparade zum Nationalfeiertag am Sonntag. Während ich also durch die Mittagssonne flaniere knattern ca. 120 Panzer über den Asphalt auf den Exerzierplatz genau vis-a-vis der Wache. Dazu Kampfjets im Formationsflug und Marschmusik samt patriotischer Kommentare aus den Lautsprechern. Eine gute halbe Stunde kann ich mir das Spektakel anschauen, denn die Wache öffnet ihre Pforten erst um 13h.
Drinnen greife ich die erstbeste Politesse ohne Fremdsprachenkenntnis und halte ihr den Vodafone-Zettel unter die Nase. Nach spontaner Mitarbeiter-Besprechung werde ich 200 Meter weiter nach linke zu Eingang D geschickt. Dort ist die Belegschaft ob meines Besuchs hocherfreut und zeigt sich hilfsbereit. Man deutet 200 Meter nach rechts und versichert, dort würde ich bestens versorgt werden. Mit Hand und Fuß kann ich verdeutlichen, wie vertraut mir der Satz vorkommt, und dass „die da“ mich zu Eingang D geschickt haben.
Das wirkt und ich werde in irgendeinen Bereich geleitet, in dem gebrochen Englisch gesprochen wird! Der Vodafone-Zettel wird interessiert studiert, ich erkläre mein Telefon-Registrierung-Stempel-Problem in einfachen Worten, werde an die Hand genommen und in Büro Nr. 1 geleitet. Dort bekomme ich einen DIN A5 Zettel (der aus einem A4 Zettel gerupft wird) und auf dem neben türkischen Schriftzeichen „Vodafone“ und mein Name notiert wird.
Damit gehe ich Büro Nr. 2, bekomme einen roten Stempel darunter und muss dafür sorgen, dass mein Name korrekt in eine Excel-Tabelle transkribiert wird. Mit Zettel Nr. 1 stehe ich etwas hilflos im Warteraum und wende mich an den Infoschalter. Dort nimmt man sich meiner an, führt mich mit Zettel Nr. 1 in Büro Nr. 1, benötigt eine Fotokopie des Reisepasses und bedeutet mir zu warten. Gegen 13.55h bekomme ich Zettel Nr. 2 ausgehändigt, muss auf das Original den Satz „Ich habe dieses Formular gesehen“ auf Türkisch abschreiben und bekomme die Kopie winkend in die Hand gedrückt.
Mit erhobenem Haupt und Ziel Vodafone verlasse ich das Reich des Schutzmanns, und lerne am Metro-Kiosk Esat kennen. Der ist Ingenieur, 34, hat acht Jahre in Kanada gearbeitet und ist nun back in turkey. Zwecks Konversation, Sprachpraxis und Neugier werde ich zu zwei Gläsern Tee eingeladen, wir sprechen über türkische Migranten in Deutschland, Krieg, Demokratie, Menschenrechte, Couchsurfing, die Angst vieler Türken vor einer drohenden stärkeren Islamisierung des Landes und so weiter. Außerdem wittere ich die Chance mit Dolmetscher bei den Telefon-Fritzen aufzukreuzen.
Mit meinem „turkisch canadian“ stürme ich den Vodafone-Laden (Nr. 5) im nahe gelegenen Einkaufszentrum, um dort zu erfahren, dass man hier zwar keine Registrierung vornehmen könne, aber die Kollegen im Turk-Cell-Laden Auskunft geben könnten, ob mein frisch erworbener Wisch für diesen verwaltungstechnischen Vorgang ausreiche. Das bejaht dort die – wie Esat und ich uns schnell einig sind – hochattraktive junge Dame, und ich versichere höchstehrlich, dass ich in Zukunft nur noch bei Turk-Cell SIM-Karten kaufen werde. Nach weiterem Plausch vor der Tür trennen sich Esats und mein Weg, wir tauschen E-Mail-Adressen und ich reite siegesgewiss gen Innenstadt.
Um 15.45h betrete ich Vodafone-Laden Nr. 4, wo man hocherfreut ist, ein bekanntes Gesicht wiederzusehen und sogleich mit den Registrierungsformalitäten beginnt. Ich rufe parallel am shop-internen Rechner meine Mails ab und mache Freudensprünge, als ich in der Post von der deutschen Botschaft Ankara (die hatte ich im Vorfeld angeschrieben) lese, dass sie „nach Rücksprache mit der zuständigen Sachbearbeiterin grundsätzlich“ bereit sei, mir eine Grenzempfehlung für Syrien auszustellen! Montag soll ich dorthin kommen!
Happy End, denke ich mir schwer erleichtert, während sich in meinem Rücken die Vodafone-Minen verfinstern und das Unwort „problem“ die Runde macht.
Wie die Rothemden feststellen, stimmt mein Name in meinem SIM-Karten-Kaufvertrag nicht mit dem im Reisepass und auf dem Polizei-Dokument überein – im Vertrag ist „Borgman“ mit einem „n“ geschrieben. In allen anderen Papieren wie üblich mit zwei. Die auffällige Übereinstimmung von Pass-Nummer, Vornamen, Geburtsdatum, weiteren Merkmalen wie den ersten 7 Buchstaben des Nachnamen sowie die nahe liegende Interpretation, dass einfach nur irgendeine Vodafone-Nase in Istanbul einmal zu wenig auf die „N“-Taste gedrückt hat, können gegen diesen Umstand der Unüberprüfbarkeit der tatsächlichen Identität des Kunden natürlich nichts ausrichten. „New SIM-Card“ presst die Mitarbeiterin (auch niedlich, aber nicht so attraktiv wie die Turk-Cell-Kollegin) hervor und mir wird blümerant.
„Not my mistake“, schimpfe ich und fordere mit Hand und Fuß die Änderung meines Nachnamen im Vertragswerk. Das könne man hier (in Laden Nr. 4) nicht machen, ergibt aus dem bilingualen Disput, das könne nur ein anderer Laden (Nr. 6?). Mit 170 Puls und einer Vodafone-Visitenkarte mit unterstrichener Adresse stapfe ich auf die Straße und marschiere um 16.28h zu besagter Anschrift (wieder fußläufig erreichbar, unerklärlich hohe Vodafone-Dichte in der City...).
Nach diversem Herumfragen und Visitenkarte-unter-die-Nase-Halten lande ich im dritten Stock eines Bürogebäudes, dessen Front sich dadurch kennzeichnet, dass kein einziges Vodafone-Schild sie ziert. Die Kollegen der türkischen AXA-Büros schicken mich einen Gang weiter, wo ich bei einem Dolmetscher für Englisch und Türkisch lande. Der zeigt sich überrascht ob des unbekannten Gesichts, aber interessiert an meiner Geschichte (Handy und Weltreise). Er bestätigt die Übereinstimmung von Adresse und Standort, hat keine Ahnung, wo hier ein Vodafone-Laden sein soll und erklärt mir den Weg zu der zweiten (nicht unterstrichenen Adresse) auf der Visitenkarte, drückt mir dabei seine eigene in die Hand und wünscht mir viel Glück für meine weiteren Welt- sowie Handyreisen.
Schon während seiner Erklärung schwante mir Böses. Und als ich seinen Worten folgend die zweite Adresse der Visitenkarte erreiche, stehe ich um 17.03h vor Vodafone-Laden Nr. 1... Auch hier zaubert mein erneutes Erscheinen ein Lächeln auf des Personals Gesichter und ein Kollege ist zumindest in Ansätzen der englischen Sprache mächtig. Das reicht allerdings offenbar nicht aus, um mein Anliegen erschöpfend zu erläutern – so geschieht dieses qua Dolmetscher in persona seiner Freundin, die in Deutschland aufgewachsen ist und umgehend telefonisch kontaktiert wird. Runde 20 Minuten wandert des Verkäufers Telefon zwischen seinem und meinem Ohr hin und her, bis seine Lebensabschnittsgefährtin mir offenbart, dass ihr Freund mir nun eine Adresse aufschreiben werde, zu der ich tags drauf gehen und dort meinen Namen im Vertragswerk berichtigen lassen solle.
„Auf keinen Fall“, platzt es aus mir heraus. Wenn der „Global Player“ Vodafone nicht in der Lage ist, sein Personal ausreichend in der Tastatur-Benutzung zu schulen, dann solle der Laden dafür gefälligst selber geradestehen und dieses eine verfluchte „N“ in sein System einschleusen. Mit welchen Mitteln auch immer! Der emotionale Auftritt zeigt Wirkung. Fieberhaft hängt die komplette Belegschaft am Rechner und brütet, bis um 17.37h bestätigt wird, dass mein Name im System nun mit meinem Namen in Realität und Dokument übereinstimme. Allerdings könne man die nach wie vor notwendige Registrierung unmöglich hier vornehmen. Dazu müsse ich bitte wieder in Laden Nr. 4 gehen, wird mir unter wiederholter Artikulierung, wie Leid allen alles tut, nahe gelegt.
In Laden Nr. 4 ist man ob meines erneuten Erscheinens, eher überrascht denn erfreut, aber die frohe Botschaft über die systeminterne Namenskorrektur zeigt Wirkung: Um 18.02h rattert der Drucker und spuckt die Registrierungsbestätigung meines Handys für die Türkei aus. 10 TL muss ich dafür noch auf den Tisch legen und erfahre, dass mein Telefon schon in 2 (!) Tagen wieder funktionstüchtig sei – vielleicht auch in zweieinhalb, aber ganz bestimmt ziemlich bald.
Als der Verkäufer mir um 18.09h lächelnd „see you“ hinterher ruft, entgegne ich ebenfalls lachend: „To be honest, I hope not!“ Und wir lachen beide herzlich als ich den Laden verlasse. Sechs Stunden später funktioniert mein Telefon wieder. Montag geht’s zur Botschaft.