Montag, 11. Januar 2010

Guter Einstand, Bolivien!

Starker Auftakt in Morales-Country: Nach Grenzpassage per pedes präsentiert sich schon der Busbahnhof Villazón in bolivianischer Unübersichtlichkeit. Borgmanns Basisspanisch reicht immerhin, um Busticket gen Sure zu ergattern, allerdings nicht im (einzigen) durchgehenden Bus – den wähne ich vor 37 Minuten abgefahren – sondern con Buswechsel in Potosi. Geplante Abfahrt (9.00 Uhr) bereitet aber Sorgen, denn der Chronometer zeigt 9.07 Uhr – allerdings noch argentinischer Zeit, wie mir später bewusst wird...
Alle Panik, das Gefährt zu verpassen also umsonst, pünktlich wird selbiges bestiegen (detailverliebt: Duftbaum mit US-Flagge) und auf zügige Abfahrt gehofft, denn rund 12 Stunden Fahrt sollen bevorstehen.
Zügig ist aber Essig, denn schnell stellt sich die Frage: Wo ist Oma? Meine Sitznachbarin ist nämlich mit Muttertier (Gesicht, Gestus und Gebiss lassen auf 80+ schließen) unterwegs, und selbiges zeigt sich renitent: Weigert sich, ruhig auf Platz sitzend der Abfahrt zu entgegen zu fiebern und entfleucht stattdessen wild keifend. Tochter panisch hinterher und vor dem Fenster 30minütiger Schlagabtausch der Generationen.
Ergebnis: Beide bleiben draußen, die Plätze werden aufgefüllt, denn Nachfrage ist groß – größer als das Angebot, so dass (eine andere) allein erziehende Mutter samt Nachwuchs in die Busfahrerkabine hinter dem Laderaum verfrachtet wird...

Nun denn, im bolivianischen Hochplateau führen Schotterpiste und Schlaglöcher in Badewannenformat knallhartes Regime – das reduziert sicherlich die Buslebensdauer, denke ich mir noch. Bestätigung bei der ersten Pause: Die ist reichlich lang für kurzes In-den-Busch-Pinkeln, und es wird verdächtig viel am Motor herumgefummelt. Zwar geht es weiter, doch glänzt Bus Borgmann durch passive Überholmanöver und muss nach ca. 5 Stunden Fahrt im erstbesten Dorf auf der Strecke Boxenstopp zwo einlegen.
Probleme mit der Startautomatik, lautet meine Ferndiagnose – doch die bemühte Bus-Crew sieht andere Gründe. Zwischen Schwein und Staub wird mit Nagel, Hammer, Stein und Blumendraht ein Gummiriemen (Keil- ?) geflickt, Mutter und Kind kurzzeitig an die frische Luft gelassen und nach 45 Minuten Standzeit (ohne tanken und Reifenwechsel) der Motor erneut gestartet. Meine Observation des Riemenflickens lässt allerdings nur einen Schluss zu: Das hält nicht lange!

Vorbei an Häusern aus Lehmziegeln (erstaunlich viel Leerstand) und „EVO MAS“ Plakaten reicht es immerhin bis zum Örtchen Dings, wo Infrastrukturtechnisch mehr zu gehen scheint (immerhin mehr als zwei Straßen), hier wird erneut entladen und nachhaltig Hand angelegt. Eineinhalb Stunden dauert das, während ich mich drei jungen Argentiniern mit (natürlich) rudimentären Englischkenntnissen anschließe. Zur Sicherheit erkundigen wir uns schon mal nach Alternativverbindungen (nächster Bus um 22h, also in 3 Stunden...), als der „Rote Blitz“ wild hupend und mit offener Haube (Kühlung) um die Ecke kommt.
Gegen 22 Uhr hatte man mir optimistisch eine Ankunft in Sucre in Aussicht gestellt, um 1.30 Uhr ist in Potosi (Höhenlage: 4000 Meter plus X) Endstation. Meine Anschlusstour nach Sucre (Dauer: 3 Stunden) verlege guten Gewissens ich auf den nächsten Tag und bin froh, dass ich den drei Gauchos in irgendeine dubiose Herberge folgen kann. Das 15-Bett-Zimmer im zweiten Kellergeschoss ist mit 15 Bolivianos (1,50 Euro) finanzierbar, allerdings macht sich die dünne Höhenluft bemerkbar – Treppensteigen erstaunlich anstrengend!

Erstaunlich ereignislos verläuft tags drauf dann zunächst die Busfahrt nach Sucre: Straße ist überraschend asphaltiert, dazu macht der Motor kaum beunruhigende Geräusche. Erst hinter der Stadtgrenze kehr Normalität zurück: 3 km vor Busterminal unvermittelt Stillstand neben einer Tankstelle. Das Argument, der Sprit sei ausgegangen zieht angesichts der Zapfsäule in 5 Metern Entfernung bei mir nicht. Allerdings sei auch der Motor im Eimer, heißt es weiter... Nun denn. Mit spanisch sprechender Busbekanntschaft Anna aus Berlin geht es per Taxi (6 Bolivianos – von 8 runtergehandelt!) in Richtung Hostel. Das allerdings zeigt sich wie drei vergleichbare Einrichtungen ausgebucht. Abhilfe verschafft das schäbigste Haus am Platz, wo das Doppelzimmer 3 Euro kostet, und reichlich Unterhaltung bietet:
Des Nachts wird so lange wild gegen des Nachbars Tür geschlagen, bis endlich die Glasscheibe zu Bruch geht und der dort schwelende Beziehungsstreit sich voll entfachen kann. Anrücken des Chefhoteliers ist notwendig, um den ausgesperrten Freund (Freundin offenbar die Bude verriegelt) des Etablissements zu verweisen.
Zudem zapfen örtliche Moskitos mir Blut in unangemessener Menge ab, so dass der Eröffnung einer Blutbank ansehnlichen Ausmaßes eigentlich nichts mehr im Weg stehen dürfte. Ansonsten regiert hier aber die Dentalfraktion, geschätzte 20 Zahnärzte werden mit großen Werbeschildern über der Praxistür. Die große Nachfrage, so erkläre ich mir das, kommt mit Sicherheit vom vielen Zähneknirschen frustrierter Busfahrgäste...

1 Kommentar:

  1. Ich hätte gerne wieder neue Berichte ;-) ist schon wieder so lange her. Bis bald!

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