Läuft doch, meine Anhalter-Premiere im türkischen Südosten!
Nur ein paar Minuten zuvor hatte mich Ibo an der letzten Bushaltestelle von Mardin abgesetzt, mir den einzigen Fleck mit Schatten empfohlen und viel Glück für meine Tour per Anhalter ins knapp 200 km entfernte Urfa gewünscht. Beginn verläuft vielversprechend: Praktisch die erste Karre springt auf mein liebevoll gemaltes Schild (Deckel einer alten Pizza-Schachtel) an, Kojak und Co. wollen mich zumindest bis ins 25 Landstraßen-km entfernte Kiziltepe mitnehmen.
20 Minuten und 8 km später deutet sich an, dass die Geschichte länger dauern kann. Denn nach den ersten eigenen Geh(Fahr)versuchen vom Kollegen aus Ingolstadt scheint klar: Der macht keinen Mucks mehr. Folglich wird der A4 wieder an die Leine genommen und auf ein nahe gelegenes, ziemlich heruntergekommenes, ziemlich verstaubtes, ziemlich verrostetes und wenig ziemlich Vertrauen erweckendes KFZ-Reparatur-Areal geschleppt. Auf dem Weg kann ich den kurdischen Kollegen von meiner Weltreise berichten und mir anhören, dass Atheismus totaler Blödsinn sei. Im Interesse einer fortschreitenden Beförderung lasse ich von Diskussionen ab und schrecke erst auf, als kurz nach Auffahrt auf das Werkstatt-Gelände das Abschleppseil reißt.
Hektik allenthalben wird gefolgt von kollektivem Autoschieben, schließlich muss der Audi in die nächste Garage bugsiert werden. Nach anschließenden Verhandlungen mit der Vertragswerkstatt steigen Borgmann, Kojak, die beiden Kurden und Genosse Beifahrer wieder in den Benz. Mein großer Rucksack wandert in den Kofferraum, denn Europa und die Türkei rücken näher zusammen: Zu uns drei gesellt sich der vollkommen ölverschmierte Audi-Fahrer in Ermangelung eines fahrbaren Untersatzes auf die Rückbank.
Blöd dabei: Im Fahrzeuginneren wird mit einmal nur noch Türkisch gesprochen und einer meiner Sitznachbarn erläutert dem bulligen Neuankömmling meine Reiseroute (Hindistan, Cin, soweit reichen meine Fremdsprachenkenntnisse mittlerweile). Mit gespannter Neugier warte ich auf des Mechanikers Reaktion, aber der lacht mich nur dreckig aus und sabbelt in Landessprache weiter. Unbehagen macht sich breit...
Ist ja nur Kiziltepe, mache ich mir Hoffnung, dass die Tour bald vorbei ist. Schließlich kommen nach insgesamt knapp einer Stunde die T-Kreuzung und die Landstraße nach Urfa in Sicht. Raus hier, gerne zügig! Aber was macht Kojak? Brettert über die Kreuzung, fährt ein paar Meter auf der Gegenfahrbahn, biegt dann links auf einen kleinen Sandweg ein – weg von der Hauptstraße! „You can drop me here“, schlage ich ansatzweise panisch vor. „No, no, we take you further“, entgegnet Kojak. SCHEIßE!!!
“No really, please drop me here!” Ich werde lauter und mir geht richtig die Muffe, zumal der Ölverschmierte wieder anfängt zu lachen. „Really?“ „Yes, please!! Stop here!“, rufe ich.
Der Benz bremst abrupt und mein Puls geht zurück auf 145. Wir wollten dich doch nur zur Bushaltestelle bringen, sagt Kojak. Ich danke und will nur noch meinen Rucksack wiederhaben, dann schnell zurück zur Hauptstraße und weg von der Bande hier. Sei vorsichtig, nicht alle sind hier so nett wie wir, ruft Kojak mir noch hinterher. Mit mir steigen die beiden Kurden vom Anfang aus und trotten zur Hauptstraße. Auch auf die zwei Nasen habe ich gerade nicht so viel Lust. Der eine fragt mich noch nach meiner Meinung zu Özalan, dann bin ich endlich alleine und atmete tief durch.
Und jetzt noch 170 km bis Urfa? Das kann ja heiter werden... Aber zehn Minuten später haben sich Lage und Borgmann beruhigt. Der sitzt in einem klimatisierten Rüsselsheimer Fabrikat alleine auf der Rückbank, Fahrer und Co-Pilot sprechen kein Englisch, zeigen sich dennoch schwer beeindruckt von meiner Worldtour, geben mir ihre Visitenkarte und lassen mich die folgenden eineinhalb Stunden in Ruhe, bis sie mich ungefähr 5 Fuß-Minuten von meinem Hostel entfernt absetzen. Das war ja nun fast wieder langweilig. Ist aber auch schwer, es mir recht zu machen…
Hallo Alder, Tramperregel Nr. 1 - NIE vom Gepäck trennen, sonst geht das Gepäck im Kofferraum aus Versehen (?) oder mit Absicht (!) allein auf große Reise. Zwei Ausnahmen: Drang zur Entwicklungshilfe mit Wertgeschenk Rucksack (sowieso 90 % von der Gesamtausrüstung und damit überflüssig) oder Versuch die Reisekasse versicherungstechnisch aufzubessern, da nach Hause schicken nur kostet. Die verbleibenden 10% lassen sich prima in der Hosentasche verstauen.
AntwortenLöschenMach weiter so , Woffang.