Dienstag, 27. Oktober 2009

Knisternde Erotik

Ashley und ihre Freundin hatten mich in Kalkutta gewarnt: Wenn ich mich mir in Konark den Sun Tempel mit kundigem Führer anschaute, so würde mir letzterer in einer Tour von Gruppensex berichten. Gute 36 Stunden später erfahre ich zwar zunächst, dass mal wieder der Kolonialherr schuldig ist, dass der größere Teil des Tempels (90 Meter hoch, überlebt hat nur der kleine mit 45 Meter) das Zeitliche gesegnet hat. Aber: Hier war der Portugiese am Werk, nicht der Brite, der kam erst später und hat die verbliebenen Türen zugemauert – auch nicht höflich.

Was aber Christiano Ronaldo ihm sein Urgroßvater am Tempel von 1250 sauer aufstieß waren nicht etwa die zahllosen versauten Kamasutra-Bumsbildchen, die König Dings damals in die Sandsteintempelwand meißeln ließ. Die hatten nämlich durchaus ihren Sinn: Fehlte König Dings nach bad luck im letzten Kriegsgewirr und daraus folgender Gewaltphobie bei der kommenden Generation doch eine adäquate Armee. Denn speziell die männliche Abteilung des kriegsmüden Jungvolks hatte sich von der elterlichen Generation losgesagt und ihr Leben der Abstinenz und des Mönchseins verschrieben.
Einfache Gleichung für König Dings: kein Müllemülle = kein Kinder = keine neuen Soldaten = das war’s dann wohl mit dem Königreich. Entsprechend musste der Bande das Prinzip des Koitus wieder nah gebracht und schmackhaft gemacht werden – so wurde beim kostenintensiven Tempelbau (am Ende mit Erfolg!) darauf geachtet, möglichst oft und deutlich auf die Existenz körperlicher Liebe in sämtlichen Ausführungen hinzuweisen.

Was aber störte nun den Kolonialisten, wenn nicht die mittelalterliche Meißelpornographie? Man munkelt, es war der große magnetische Stein auf der Spitze von Tempel dem Größeren, der die portugiesischen Kompassnadeln derartig zum Tanzen brachte, dass angemessenes Navigieren und kompetente Seefahrt nicht mehr möglich waren.
Dies drohte natürlich die Grundfesten des Kolonialismus zu untergraben, weshalb Ronaldo Senior und Co. flugs entschieden, „der Stein gehört wech!“ Aus der Abteilung „Kleine Ursache, große Wirkung“ entstammt nun die Folge. Königs Dings ihm seine Architekten hatten, gar nicht blöd, geschmolzenes Eisen benutzt, um die einzelnen Sandsteintempeleinzelteile klammerartig angemessen zu verkuppeln. Das Fe2-Klammergerüst wiederum, so die Legende, war auf die magnetische Wirkung des Steinchens (hihi) auf dem Dache angewiesen und erfuhr durch Entfernung des selbigen einen nachhaltigen Verlust an Steifigkeit.

Stein weg, Tempel weg – so das Ergebnis. Dafür konnte der Portugiese wieder unbehelligt vor des Subkontinents Ostküste seefahren. Zumindest so lange bis der Engländer sich in die ganze Geschichte einzumischen begann, aber immerhin hatte man wieder funktionierende Kompassnadeln.

Doch kurz zurück zur reichhaltigen Sandsteinpornographie, da haben sich aber tatsächlich ein paar Meister der Ferkelei ausgetobt: Von Mann und Frau über Hund und Pferd, Alt und Jung, zwei und mehr, Mann und Mann oder Frau und Frau (Homosexualität im Kamasutra also en vogue – das hat zumindest ein Großteil der Inder in bisschen vergessen!), alles dabei und leicht verständlich dargestellt. Kein Wunder, dass den Jungmönchen da wieder ein wenig der Säbel gejuckt hat. Derzeit ist der Inder wieder eher mit Geburteneindämmung beschäftigt, entsprechend sollte der Zugang zum Tempel beschränkt werden. Am besten durch Angleichung des Ticketpreises für Einheimische. Wenn nämlich auch die 250 Scheine (knappe 4 Euro) auf den Tisch legen müssen statt 10, dann dürften sich deren lüsternden Gedanken schnell in Grenzen halten...

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