Freitag, 16. Oktober 2009

Inder Eisenbahn – endlich wieder flache Wortwitze

Fürsorge pur in Ex-Bombay (was jetzt bekanntlich offiziell Mumbai heißt, daran halten sich aber nur die wenigsten Inder): Vor meiner ersten Ausfahrt ins örtliche Stadtzentrum ratschlägt Couchsurfer Kurien (KC), mir sollte sich für die 2x20km hin und zurück ein Ticket 1. Klasse erstehen – im Interesse einer veritablen Chancenerhöhung beim Versuch die Wagontür zu durchschreiten.
Nun ist das Klischee indischer Vorortzüge ja bekannt und selbst im Klipper-Magazin schon ausgereizt worden, Zeit also, sich vom Vorurteil zu lösen und festzustellen, dass – wie so oft auf dieser Reise – es eigentlich ganz anders und gar nicht so schlimm ist. Optimismus versprühend wird also die Anreise gen Bahnstation Andheri vorgenommen, der Kollege von der Dreiradfraktion chauffiert mich für schlanke 15 Rupien (20 Cent, ca. 8 Minuten Wegstrecke) bis zum Ticketschalter.
Als Passagier 1. Klasse könne ich mich ruhig an der Schlange vorbeidrängeln, wurde mir mit auf den Weg gegeben, doch selbige hält sich in überraschend engen Grenzen so dass mir – ganz in der Tradition des aufgeklärten Kolonialismus – in Reih und Glied wartet. Preislevel der First-Class-Tickets lässt sich mit rund 150 Rupien doch als erhöht bezeichnen, vielleicht gibt’s dafür nen Mitropa-Wagen...
Gespannte Ruhe dann auf dem Bahnsteig, der sich minütlich füllt. Der Expresszug gen Churchgate, der soll es sein und der rollt auch wenige Minuten später schon ein. Köpfe und sonstige Körperteile hängen in loser Reihenfolge aus den Türen, der eine oder andere Fahrgast klemmt tatsächlich zwischen den Wagons (!) und die Meute auf dem Bahnsteig wird hektisch. Sobald Schrittgeschwindigkeit erreicht ist, hängt an jedem Eingang schon eine Meute von rund 40 Mann, die um die besten Plätze fürs Aufspringen kämpft. Wer jetzt nicht ARD-like in der ersten Reihe ist, der hat es schwer mit der Zugbesteigung.
Zumal der Ein- natürlich auch der Ausgang ist und zumindest ein paar Nasen hier auch entsteigen wollen. Das ist also tatsächlich purer Kampf, und wenn man erstmal in dem Strudel ist, dann gibbet auch kein Zurück mehr, unterdruckartig wird dann hineingesaugt. Ich allerdings nicht, habe den Anschluss schon im Ansatz verpasst und kann mir das Spektakel daher aus sicherer Entfernung betrachten. Warte ich halt zehn Minuten bis der nächste kommt. Mulmiges Gefühl allerdings beim Blick ins Innere – das sieht doch latent beengt aus...
Aber nützt ja nix, mir will in die Stadt und während der Zug 45 Minuten braucht, kann es mit dem Taxi (dann auch teurer) im Berufsverkehr schon mal 2 Stunden dauern. Beim nächsten Eintreffen wird also frühzeitig Rudelbildung adaptiert und in der Folge gnadenlos der Größenvorteil gegen den Eingeborenen ausgenutzt. Ellenbogen raus und rein in den Wagon – nebenbei bemerkt: wir reden immer noch von der 1. Klasse!
Drinnen dann das befürchtete Bild: ein wenig beengt isses schon. Umfallen unmöglich, festhalten trotzdem angebracht. Schon nach 35 Minuten wird es allerdings besser, dann wird Mumbai Central passier und vermehrt ausgestiegen. Vegetative Funktionen (Atmung!) laufen nun wieder deutlich einfacher.
Einfach gestaltet sich auch das Aussteigen – weil Churchgate = Endstation, ansonsten läuft das in etwa so ab: Man richte sich irgendwie so aus, dass Blickrichtung gen Ausgang deutet und bewege sich dann rund 50 cm näher gen selbigen. Der Rest geht dann von alleine – die Masse spült den ausstiegswilligen Passagier auf den Bahnsteig, austrainierter Gleichgewichtssinn hier übrigens von Vorteil, denn (mind tha Gap!) es geht ein gutes Stück nach unten.
Gesonderte Wagons gibt es übrigens für Frauen, die ein wenig (!) leerer sind. Bei der nächsten Tour teste ich dann mal den Unterschied in der 2. Klasse - der Mitropawagen zumindest wäre in Klasse eins wohl manövrierunfähig. Gelohnt hat sich die Tour aber auch weil das erste indische Hockeystadion gesichtet wurde!

3 Kommentare:

  1. Immer wieder eine Freude hier zu stöbern. Genieß deine Zeit. G+K

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  2. Als nächstes solltest Du mal in Tokio Bahnfahren. Da gibt noch Pusher...

    Was hast Du eigentlich an Deinem Geburtstag getrieben? Und wo warst Du da?

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